Mehrperspektivität

Quellen:
Petzold H. G., Integrative Supervision, Meta-Consulting & Organisationsentwicklung, 1998
Schreyögg A., Supervision - Ein integratives Modell, 1991

In der Supervision geht es oft um komplexe Phänomengestalten. Durch den Standortwechsel kann die Praxisgeschichte aus anderen und neuen Perspektiven betrachtet werden. Diese Perspektiven können personenbezogen sein. Die Betrachtung aus dem Blickwinkel des Klienten/Patienten, dem Vater, der Mutter, des Chefs, der Kollegin, des Lehrers usw. können zum Beispiel durch ein Rollenspiel nicht nur kognitiv reflektiert sondern auch leiblich erlebt werden. Mehrperspektivität meint auch die Betrachtungsweise aus anderen Kontexten und Disziplinen. Was würde dazu ein Psychologe sagen, was ein Soziologe, wie ein Psychoanalytiker, wie ein Systemiker usw. um ein disziplinübergreifendes Verständnis zu erarbeiten.

Mehrperspektivität bedeutet auch den Aspekt der "social world" zu berücksichtigen. Wenn etwa eine Sozialarbeiterin aus bürgerlichem Haus ihre Arbeit mit einem Klienten aus bäuerlichem Umfeld in der Supervision reflektiert.

Der gesamte Ansatz der Integrativen Supervision ist von der Überzeugung durchzogen, dass menschliches Erkennen idealerweise mehrperspektivisch erfolgt. Festlegung auf eine einzige Sichtweise würde Erstarrung menschlichen Seins bedeuten.

Die Mehrperspektivität geht Hand in Hand mit der Exzentrizität, denn sie ist Fähigkeit, pluriforme Wirklichkeite exzentrisch aus verschiedenen Blickwinkel (der Beteiligten) mit unterschiedlichen Optiken (politisch, ökonomisch, etc.) und theoretischen Referenzrahmen (betriebswirtschaftlich, psychologisch, organisationstheoretisch, etc.) zu betrachten. Dadurch wird die vorhandene Komplexität erfassbarer.

Die individuelle und kollektive Sinnerfassungskapazität ist abhängig von der Mehrperspektivtät des Sehens. Sinn scheint nur in Zusammenhängen auf. Zusammenhänge erkennen produziert Sinn. Ein Ziel individuellen und gemeinschaftlichen Lebens ist es, Zusammenhänge immer besser verstehen zu lernen. Supervisorisches Ziel ist demnach nicht nur einen Sinnzusammenhang, eine Bedeutung zu erkennen, sondern auch zu lernen, wie man sich mehr Sinn erschließen und eine Vielfalt an Bedeutungen gewinnen kann.