Dispositiv
Quellen:
Foucault M., Dispositive der Macht, 1978
Foucault M., Sexualität und Wahrheit, Bd I-III, 1976-1983
Foucault M., Mikrophysik der Macht, 1976
Das Modell des Dispositivs geht auf Michel Foucault zurück. Dieser Begriff ist bei ihm eng mit "Macht" und "Wissen" verbunden. Foucault hat diese Begriffe jedoch nicht personalisiert. Er ging nicht von den Mächtigen aus, die machtlose Menschen unterdrücken. "Die Macht ist nicht etwas, was man erwirbt, wegnimmt, teilt, was man bewahrt oder verliert." Sie ist das organisierende Prinzip von Beziehungen und Kräfteverhältnissen und wird unter Mitwirkung aller, d.h. in diesen Beziehungen und Kräfteverhältnissen, immer wieder reproduziert und modifiziert. Macht geht damit nicht von einem Zentrum aus und kommt nicht von oben über alle, sondern wird lokal erzeugt über die Kräfteverhältnisse, die sich in den Produktionsapparaten, Familien, sexuellen Beziehungen, Gruppen und Institutionen ausbilden. Foucault geht in seiner Analyse vom Untersten, Kleinsten aus, von den alltäglichen Machtmechanismen; denn die Macht ist nicht überall, weil sie alles umfasst und sich unterwirft, sondern "weil sie von überall kommt". Es ist also notwendig, zu ergründen, wie diese konkreten Machtmechanismen von allgemeineren Machtmechanismen besetzt wurden und werden, bis hin zu Formen globaler Herrschaft. Die foucaultsche Machtanalyse stellt sich damit quer zu üblichen Machttheorien, die von einer Unterdrückung des Menschen ausgehen, die ausschließlich von "oben" nach "unten" verläuft und so nur negativ wirkt. In diesen Repressionstheorien fungiert das Subjekt einerseits als Ausgangspunkt und selbstbewußter Träger, andererseits als Widerpart der Macht.
Ein Dispositiv bezeichnet die Gesamtheit von Einrichtungen (Praktiken, Institutionen, etablierte Diskurstypen), welche die Individuen zu Diskursen anreizen sollen. Sie ermöglichen dem Einzelnen ein bestimmtes handlungswirksames Wissen: provozieren die Konstruktion von Situationen und kollektiven Identitäten. Dispositive dienen so der Verwaltung und Kontrolle von Individuen auf bestimmte Ziele hin. Sie bilden sich angesichts spezifischer gesellschaftlicher Problemlagen heraus. Ein Dispositiv greift nicht wie eine brutale Polizei in die Kräfteverhältnisse ein, um sie auf bestimmte Ziele hin zu manipulieren, sondern es schafft die Bedingungen für die Akzeptanz bestimmter Aussagen als wahr bzw. als falsch, die Bedingungen für die Akzeptanz eines bestimmten Wissens. Den Individuen wird durch das Dispositiv ein Wissen möglich, das sie dazu bringen kann, sich auf nützliche Weise (der Notlage entsprechende Weise) zu sich selbst und zur Welt zu verhalten. Im Begriff des Dispositivs fasst Foucault die verschiedenen Anknüpfungsbereiche der Macht zusammen. Das Dispositiv fungiert als Struktur zur Bündelung der Kontexte als Medium der Macht. Es ist dann sowohl deren vielfältiges Mittel als auch ihr Ausdruck. Foucault beschreibt es als »... ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfaßt.«
Im Sexualitätsdispositiv z.B. wird die Lust, und das ist die zentrale Leistung eines Dispositivs, nicht unterdrückt, sondern gestaltet. Es hilft, die Sexualität erst zu erzeugen, indem es zu Diskursen anreizt. Das Dispositiv wird durch eine Vielzahl sehr verschiedener Elemente gebildet. Die Elemente des Sexualitätsdispositvs sind u.a die Familien und bestimmte Umgangsweisen in den Familien, die Intimbeziehungen, die Wissenschaft, die Medizin, die Strafjustiz, therapeutische Praktiken, Beichtregeln, schöne Literatur.
Ander Beispiele für Dispositive wurden von Foucault erläutert: Geschlecht, die Kontrolle des Wahnsinns, Inhaftierung, Episteme als diskursives Dispositiv u.a. Es fällt zunächst auf, dass Dispositive offensichtlich auf sehr unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein können, sowohl was ihre Konkretion oder Allgemeinheit betrifft, als auch, was ihren funktionalen Zusammenhang untereinander angeht. Im Blick auf die Sexualitätsdispositive verweist Foucault darauf, dass die Analyse von Dispositiven nicht verkürzt werden darf auf das, was Wissenschaftshistoriker, Wissenssoziologien, Ideengeschichtler, Fachwissenschaftler in ihrer Analyse bestimmter Praktiken betreiben. In diesem Sinne schließt sich die Integrative Supervision an, jedes Wirkgefüge transversal sowohl aus exzentrischer Position als auch mehrperspektivisch zu erfassen.