Exzentrizität

Quellen:
Petzold H. G., Integrative Supervision, Meta-Consulting & Organisationsentwicklung
Schreyögg A., Supervision - Ein integratives Modell

Exzentrizität ist die Fähigkeit, von Situationen, Problemen und Sachlagen Abstand zu nehmen, ohne Kontakt zum Geschehen zu verlieren und in "engagierter Distanz" den breiteren Kontext der Gegenwart, Vergangenheitshintergründe, Zukunftsperspektiven und Alternativen zu betrachten.

Der Mensch ist durch seine Sozialität weitgehend bestimmt aber nicht vollkommen determiniert. Er hat grundsätzlich Möglichkeiten, als eigenständiges denkendes und handelndes Wesen seine Prägungen zu überwinden. Als Subjekt kann er eine exzentrische Position gegenüber seiner eigenen Lebenssituation einnehmen, was ihn in die Lage versetzt, mehr Zusammenhänge zu durchschauen, als wenn er sich nur aus der "Mitte" seiner Dispositionen betrachtet. Die exzentrische Position ermöglicht eine distanzierte Reflexion.

Im supervisorischen Setting erhält der Handlungsdruck die Praxis und es kann laborähnlich experimentell gearbeitet werden. In diesem Umfeld ist es möglich, testweise bestimmte exzentrische Positionen innerhalb einer Szenerie einzunehmen, um sich z.B. durch einen Rollentausch mit dem Erleben eines alter ego auseinanderzusetzen.

Der Supervisor lässt sich vom Supervisanden in seiner Praxisdarstellung innerlich erfassen um in der Lage zu sein, die phänomenalen Erfahrungen des Supervisanden zu verstehen. Dieses mitfühlende Verständnis erfordert eine hohe Authentizität. Um Verstrickungen zu vermeiden, muss der Supervisor auch aus einer professionellen Haltung immer wieder eine exzentrische Position in mehrfacher Hinsicht einnehmen: gegenüber den Supervisanden, gegenüber seiner Praxisgeschichte und gegenüber der konkreten supervisorischen Interaktion.

Team- oder Gruppensupervisionen haben den Vorteil, dass die Supervisanden, die im vorgebrachten Praxisbeispiel nicht unmittelbar eingebunden sind, dadurch eine exzentrische Position in die Interaktion einbringen können und damit Korrektiv und Bereicherung sind.

Im Rahmen der Integativen Supervision wird die Praxis des Einnehmes exzentrischer Positionen geübt, weil sie nicht nur praxisrelevant für das supervisiorische Setting ist. Diese Fähigkeit auch als bewusst eingesetzte Technik erlaubt dem Supervisianden seine Beziehung zu seinen Klienten/Patienten zu metareflektieren, die sonst Gefahr läuft, zu einem festgefahrenen Konzept zu erstarren.